Revitalisierung

Dr.-Ing. Stefanie Weidner ist Büroleiterin von Werner Sobek København und Director Sustainability Strategies bei Werner Sobek.

Bauen mit und im Bestand

Unsere gebaute Umwelt dient nicht nur in Hinblick auf zukünftige Bauten als Materiallager mit kreislauffähigen Gebäuden – etliche Ressourcen stecken bereits in bedeutenden Bestandsgebäuden.

Bedeutend nicht allein unter baukulturellen Aspekten, sondern vor allem auch als wichtiger Baustein auf dem Weg zu klimafreundlicheren Bauweisen. Case Studies haben gezeigt, dass durch den Erhalt des Bestandes bis zu 60 % der grauen Emissionen im Vergleich zu Neubaubauwerken eingespart werden können.

Die Aufgabe der Erfassung des Bestandes ist eine große Herausforderung, schließlich gab es vor mehreren Jahrzehnten noch keinen Gebäuderessourcenpass. Häufig bedeutet das eine langwierige Sichtung von umfangreichen Bestandsunterlagen in verminderter Qualität, zusätzliche Bauteiluntersuchungen und Abstimmungen im Prüfprozess. Doch mit den Werkzeugen der zerstörungsfreien Prüfung, Laserscanmethoden uvm. stehen uns viele Möglichkeiten zur Verfügung Bestandsgebäude zu erfassen, zu verstehen und sie zu transformieren.

Die Wertschätzung für das Bauen mit und im Bestand muss gestärkt und den Ingenieur:innen notwendiges Wissen und Kenntnisse vermittelt werden (z.B. bereits eingehend während des Studiums). Zudem brauchen wir einen anpassungsfähigen Umgang in Hinblick auf die Schall-/und Brandschutzanforderungen sowie beim Bestandsschutz.

Dr.-Ing. Stefanie Weidner
Director Sustainability Strategies

Schauspielhaus Düsseldorf

Das Ziel der Emissionsreduzierung

Unsere Erkenntnisse und die Herausforderungen, um die gesetzten Klimaziele bis 2050 zu erreichen, führen im Bauwesen zu einem verstärkten Fokus auf den grauen Emissionen. Sie beschreiben die mit der Herstellung der Materialien verbundenen Emissionen. Bisher lag der Fokus in der Baubranche auf den sogenannten operativen Emissionen, also denjenigen, die beim Betrieb des Gebäudes entstehen.

Eine explizite Studie von Röck et al. mit dem Titel ‚Embodied GHG emissions of buildings – The hidden challenge for effective climate change mitigation‚ verdeutlicht die aktuelle Entwicklung und Verlagerung der CO2 Emissionen zu Ungunsten der grauen Emissionen: In den vergangenen Jahrzehnten haben die gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf den Energiestandard des Gebäudes zu einer deutlichen Reduktion der operativen Emissionen geführt. Die grauen Emissionen blieben dagegen unverändert bzw. nahmen zum Teil sogar zu, damit die Energiestandards der Gebäude  gewährleistet werden konnten.

Insgesamt ist das Bauschaffen für rund 60 % der weltweit ausgestoßenen klimaschädlichen Emissionen verantwortlich. Für eine signifikante Minderung der CO2 Emissionen im Bausektor müssen demnach Emissionen deutlich reduziert werden, die mit den benötigten Rohstoffen und der Herstellung der Baumaterialien zusammenhängen. Dies gelingt einerseits durch den massenreduzierten Einsatz der Materialien und andererseits durch eine sinnvolle Wahl und Wiederverwendung der Baustoffe.

Leistungen von Werner Sobek

– Definition von Referenzwerten
– Bestandsanalyse und -dokumentation
– Kontextualisierung technischer Randbedingungen
– Methodenvergleich
– Entwicklung von Varianten
– Abstimmung mit Behörden und Denkmalpflege
– Integration weiterer Fachdisziplinen
– Definition möglicher Maßnahmen und konstruktiver Lösungen
– Kostenschätzung
– Ausführungsbegleitung
– CRREM-Analyse

CO2-Einsparungen: The Q

Um- und Weiternutzung der Bestandsgebäude

Die Möglichkeit der Um- und Weiternutzung von Bestandsgebäuden sollte grundsätzlich und bereits in der Planungsphase 0 geprüft werden. Oftmals wird in bilanziellen Betrachtungen von einer Gebäudelebensdauer von 50 Jahren ausgegangen. Die eingesetzten Materialien sind jedoch besonders im Tragwerksbereich deutlich dauerhafter. Fassadenbestandteile und Einbauten können und müssen während der Lebensdauer ausgetauscht werden. Zudem entscheiden oft mangelnde Flexibilität der Grundrisse, Geschosshöhen, Geschossigkeit und ähnliche Aspekte über den Abriss eines Gebäudes. Damit erreichen Gebäude häufig weit vor ihrem technischen Lebensende ihr wirtschaftliches Lebensende.

Die grauen Emissionen werden für das Treibhauspotential (GWP) in kgCO2-Äquivalent ausgegeben. Das CO2-Äquivalent bezieht dabei alle relevanten Treibhausgase (z.B. Kohlendioxid, Methan, Lachgas) ein und skaliert diese auf die Bezugseinheit CO2. Das Treibhausgaspotential ist eine von vielen Umweltwirkungskategorien. Der Fokus richtet sich hier zunächst auf die relevante Wirkungskategorie, die den Klimawandel beeinflusst. Weitere Wirkungskategorien werden vorerst nicht betrachtet.

Projektbericht – P4 (Effizienzhaus Plus), Sanierung

Projekt P4 (EPA – Effizienzhaus Plus im Altbau)
P4 Sanierung Effizenzhaus Plus

Projektbeschreibung

Das Projekt EPA – Effizienzhaus Plus im Altbau zeigt, wie auch im Altbau durch geeignete planerische und bauliche Maßnahmen eine radikale Verbesserung der Energieeffizienz bei gleichzeitiger deutlicher Erhöhung des Wohnkomforts erreicht werden kann.

Zunächst wurde das bestehende Gebäude in seinem Inneren aufgewertet, beispielsweise durch neue Bäder. Größere Fenster sorgten darüber hinaus für mehr Tageslicht im Wohnbereich.

Auf die bestehende Außenwand wurde anschließend ein vorgefertigtes, hoch wärmedämmendes Fassadensystem mit allen erforderlichen Leitungskomponenten montiert. Um die neue Gebäudehülle zu erstellen, wurde das Bestandsgebäude zunächst mit einem 3D-Laserscanner vermessen. Aufgrund des entstandenen 3D-Modells des Hauses wurden anschließend maßgeschneiderte Fassadenelemente konstruiert, computergesteuert gefertigt und vormontiert. Fenster, Verschattungstechnik, Photovoltaik und Lüftungsrohre wurden komplett werksseitig integriert.

Projektdaten

Leistungszeitraum: 2000 – 2000
Planungszeit: 2012 – 2013
Ausführungszeit: 2013 – 2016
Leistungen von Werner Sobek:
Architektur, Entwurf, Tragwerksplanung, Nachhaltigkeitskonzept, Generalplanung, TGA-Planung
Bauherr: NUWOG Neu-Ulm
Schirmherr: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
Bruttogrundfläche: 1.380 Quadratmeter
Wohnfläche: 656 Quadratmeter
Beheiztes Gebäudevolumen: 2.458 Kubikmeter
Hüllflächenfaktor A/V: 0,47 m-1
Qualität Gebäudehülle: 0,1 W/m2 K

Bestandsgebäude

Für ein typisches Bestandsgebäude aus den 1930er Jahren wurde beim Projekt EPA ein wirtschaftlich interessantes Konzept umgesetzt. Hier konnte die Nachhaltigkeit gesteigert werden, indem der Lebenszyklus des Gebäudes durch eine energetische Sanierung um Jahrzehnte verlängert wurde. Das optimierte Bestandsgebäude ist CO2–neutral und erfüllt damit bereits heute das Energiekonzept 2050 der Bundesregierung. Kubatur und wesentliche gestaltprägende Elemente der Bestandsgebäude wurden respektiert und komplett erhalten.

Das Gebäude beherbergt heute insgesamt acht moderne Wohnungen mit jeweils zwei Zimmern sowie zwei große Studioapartments im Dachgeschoss. Die Grundrissgestaltung bietet großzügige, nutzungsneutrale Räume und damit eine langfristige Flexibilität. Dazu liefern die großzügigen Fenster viel Ausblick und belichten die Wohnungen optimal, wodurch in allen Wohnungen ein hoher Tageslichtquotient erreicht wird. Die EG-Wohnungen sind so gestaltet, dass auch in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen ohne weitere Hilfsmittel bequem Zugang haben. Auch dieser Aspekt gewährleitet eine langfristig nachhaltige Nutzbarkeit.

Die Firmengruppe Werner Sobek vereint Planer aus den Bereichen Architektur, Technischer Gebäudeausrüstung, Tragwerksplanung und Nachhaltigkeitsberatung. Alle Disziplinen waren unter der koordinierenden Leitung durch Werner Sobek Design am Projekt EPA beteiligt. Dabei konnte durch die enge Zusammenarbeit und kontinuierliche Abstimmung der Fachplaner untereinander sichergestellt werden, dass auch während der Bauphase immer ein besonderer Fokus auf den Nachhaltigkeitsaspekten lag, z.B. bei der Realisierung von ressourcenschonenden Eingriffen in die Bausubstanz.

Sanierung

Die vorhandene Substanz des Gebäudes wurde so weit wie möglich erhalten, ergänzt und dadurch insgesamt aufgewertet. Die Verwendung von Holzwerkstoffen hat die Ökobilanz deutlich verbessert, weil ihre Produktion die geringste graue Energie aufweist. Die PV-Module wurden vom Hersteller zurück genommen und sind mit einem Recyclinggrad von über 90% wieder verwertbar. Vorhandene Trennwände und Vorsatzwände wurden im Trockenbau ausgeführt und sind somit sortenrein rezykliertbar.

Die Sanierung der äußeren Gebäudehülle und des Dachs von EPA erfolgte größtenteils durch bereits vorgefertigte Wand- und Dachelemente. Dabei wurde ein mineralisch gedämmtes Fassadensystem in Holzbauweise mit integrierten Versorgungsleitungen auf die vorhandene massive Wand montiert. Diese vorgehängte Konstruktionsweise ohne Wärmebrücken minimiert die thermischen Verluste.

Als Dach dienen hier Stegträger mit einer Dämmschicht aus Mineralwolle, unterseitiger Luftdichtheitsebene und Gipskartonplattenbekleidung mit Installationsebene. Sie wurden auf einen vorab neu hergestellten Stahlbetonringgurt aufgesetzt.

Die bodentiefen Fenster besitzen eine dreifache Isolierverglasung und haben einen U-Wert von 0,75 W/m2K. Damit zählen sie zur Kategorie der Passivhausfenster. Als Sonnenschutz sind an der Süd- und Ostfassade außenliegend textile Sonnenschutzscreens angebracht.

Durch die Wahl der Bauteile und die weitgehende Vermeidung von geklebten Verbindungen lässt sich die neue Gebäudehülle perspektivisch einfach dem Recycling zuführen. Außerdem sind ein Großteil der verbauten Materialien stofflich wieder verwertbar. Dies gilt für sämtliche Holzprodukte, die einen wesentlichen Teil der Gebäudesubstanz (Furnierholz, Sperrholz, OSB, Dielen) darstellen. Auch alle weiteren Materialien sind im Prinzip stofflich wieder verwertbar.

Energiekonzeption

Die Gebäudetechnik ist bei EPA denkbar simpel konzipiert, vielfach bewährt und auf ein absolutes Minimum an marktgängigen Komponenten reduziert. Das übersichtliche, robuste und einfach zu steuernde System kann von den Bewohnern direkt kontrolliert werden. Auf dem Grundstück finden keinerlei Verbrennungen statt, die Energieversorgung erfolgt frei von fossilen Energieträgern, ausschließlich über Strom. Stromüberschüsse werden in das Netz der Stadtwerke eingespeist. Die Haustechnik mit Wärmepumpe, Warmwasserspeicher und Lüftungsanlage befindet sich im Keller des Gebäudes. Eine zentrale Haustechnik ist effizienter, kostengünstiger, zuverlässiger und darüber hinaus einfacher zu warten als wohnungsweise Kompaktaggregate oder Lüftungsmodule.

Der außenliegende Sonnenschutz ist stufenlos verstellbar und hat eine Lichtlenkfunktion. Die für die Klimaregelung erfassten Messgrößen wie Lufttemperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Helligkeit, CO2–Konzentration, Erkennung anwesender Personen und Öffnungszustand der Fenster können von den Bewohnern über das User Interface des Energiemanagementsystems abgerufen und für das Monitoring aufgezeichnet werden.

Andere Themen